Replik eines romanischen Kelches

Die goldglänzende Replik des romanischen, um 1240 datierenden Kelches gehört neben dem mittelalterlichen, reich bestickten Leinentuch zu den Highlights in der Dauerausstellung des Stadtmuseums Bergen auf Rügen. Das Original ist im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde Bergen auf Rügen.

 

Goldschmiedearbeiten kommen durch die Zeiten hinweg eine besondere Bedeutung zu, sei es durch das wertvolle Material an sich oder das glanzvolle Erscheinungsbild der Objekte. Dieser Umstand gilt auch für das Mittelalter und den alten Kelch, der ursprünglich zu den Kirchenschätzen der um 1180 erbauten St. Marienkirche von Bergen auf Rügen gehörte. In der Literatur findet der Leser neben der Ansprechung als romanischer Kelch auch die Beschreibung Abendmahlskelch, die die Funktion des Objekts im Rahmen seines kirchlichen Gebrauchs spezifiziert.

 

Original und Replik bestehen aus vergoldetem Silber, das getrieben, gegossen und ziseliert wurde. Der Kelch setzt sich formal aus drei Elementen zusammen: Über dem runden Fuß sitzt der, einer abgeflachten Kugel ähnelnde Knauf (Nodus) und darüber erhebt sich die schalenförmige Kuppa mit ihrem hohen, glatten und leicht eingezogenen Rand und einem Durchmesser von etwa 13 cm. Auffällig ist das rankenförmige Filigran, also feine Drähte mit aufgesetzten Kugeln, das fast den gesamten Kelch bedeckt und den Nodus formt. Verschiedenfarbige Halbedelsteine ergänzen dieses Schmuckensemble auf dem Fuß, dem Knauf und der Kuppa. Im Hinblick auf das Original ist zudem von eingelassenen Perlen am Nodus zu lesen. Vier gebuckelte Streifen teilen das Filigran am Fuß und auf dem Griff in vier gleichgroße Segmente ein. Diese stabartigen Gebilde werden als stilisierte Dattelpalmen angesprochen, die in Weintrauben bzw. Fruchtkolben und Blättern auslaufen. Ein glatter Streifen mit ausgeschnittenen und nach unten gerollten, kleeblattförmigen Ornamenten ist jeweils ober- und unterhalb des Knaufs angebracht und setzt somit das Filigran auf den einzelnen Kelchbestandteilen voneinander ab. Auf der Kuppa gehen die Stämme der Palmen in federförmige Blätter über, die von menschlichen Köpfen mit gelockten Haaren bekrönt werden. Die detailreiche Komposition wirkt insgesamt sehr ausgewogen und in sich geschlossen. Der Abendmahlskelch der St. Marienkirche von Bergen auf Rügen gilt aufgrund seiner qualitätsvollen Ausführung als eines der berühmtesten Beispiele romanischer Kelche aus Norddeutschland. Leider sind bislang keine Informationen über den Anlass der Anfertigung des Bergener Originals bekannt. Nach dem Historiker Alfred Haas besteht vermutlich ein Zusammenhang zwischen der mittelalterlichen Kalandsbrüderschaft Bergens und dem liturgischen Gerät. Als Ort seiner Fertigung kommt eine Werkstatt im mittelalterlichen Lübeck in Betracht, da das Gefäß starke Ähnlichkeiten zu einem ähnlich alten Kelch aus Preetz aufweist.

 

An dieser Stelle soll aber auch darauf hingewiesen werden, dass in der Fachwelt Zweifel an der mittelalterlichen Datierung bestehen.

 

Mittelalterliche Goldschmiedearbeiten gingen vielfach im Laufe der Zeit verloren, sei es durch Kriege, als Ergebnis von Notzeiten oder während der Reformation des christlichen Kirchenwesens. Die Stadt Bergen auf Rügen hatte zudem auch mehrere große und größere Stadtbrände zu beklagen- und dennoch blieb der alte Kelch wundersam und fast unzerstört erhalten.

 

Die wunderschöne Replik wurde vom Bergener Goldschmiedemeister Frank Neitmann im Auftrag der Stadt Bergen auf Rügen ausgeführt und ist seit 2017 Highlight der Dauerausstellung im Stadtmuseum.

Wir laden Sie herzlich zu einem Besuch in unserem Museum ein. Nehmen Sie sich die Zeit, die detaillierten Darstellungen der Replik und das handwerkliche Geschick selbst zu betrachten und zu bestaunen!

 

Autorin: Marika Emonds

 

Literatur (Auswahl):